Sonntag, 23. August 2015

Das Rennpferd richtig abtrainieren

Rennpferde sind Hochleistungssportler, das Training ist vor allem auf Ausdauer ausgerichtet. Entsprechend ist ihr gesamter Organismus an die hohe Belastung angepasst. Daran ändert sich auch (noch) nichts, wenn Rennpferde von der Bahn in den Reitstall gelangen. Damit es nach Beendigung der Rennkarriere nicht zu einem massiven Leistungsabfall mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen für den Vollblüter kommt, muss der Reiter diesen zu Beginn der Ausbildung korrekt abtrainieren. Als Reitpferd ist neben Ausdauer vor allem Tragkraft gefragt. Ziel des Trainings ist es, die auf Ausdauer ausgerichtete Muskulatur, Gelenke, Sehnen und Bänder nun behutsam umzustellen.

Voraussetzungen fürs Abtrainieren

Entscheidend ist, was in den letzten Monaten auf der Rennbahn mit dem Vollblüter gemacht wurde. Manche Rennpferde werden noch während der Zeit auf der Rennbahn abtrainiert. Passiert dies nicht, kommt es drauf an, zu welchem Zeitpunkt das Rennpferd von der Bahn kommt. Während der Rennsaison ist der Vollblüter auf Höchstleistung trainiert, hingegen wird in den Wintermonaten das Pensum meistens reduziert. Wie hoch das aktuelle Trainingspensum ist, darüber kann der Trainer Auskunft geben. Der Ausbilder sollte nahtlos an die Trainingsanforderungen im Rennstall anknüpfen. Vorausgesetzt natürlich, der Vollblüter wurde gesund aus dem Training genommen.

Was während der Umstellungsphase passiert

Die Umstellung erfordert vor allem Zeit. Denn nicht nur die Psyche des Pferdes muss sich an die neuen Anforderungen anpassen.
Während der Aufbauphase wird durch kontinuierliche Leistungssteigerung das Herz-Kreislaufsystem verbessert. Dadurch bildet der Organismus mehr rote Blutkörperchen, damit die Körperzellen optimal mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden können. Das Binde- und Stützgewebe wird verdichtet und die Muskelfasern vergrössert, um der erhöhten Leistung stand zu halten. Die Veränderungen am Bewegungsapparat benötigten unterschiedlich viel Zeit. Die „biologische Halbwertszeit“ bezeichnet die Zeitspanne, in der bei Trainingsbeginn die hälfte des vorhandenen Materials abgebaut und durch neues (leistungsfähigeres) ersetzt wird. Die Muskulatur benötigt dafür etwa drei Monate. Sehnen, Gelenke und Knochen hingegen fast ein ganzes Jahr. Der Prozess, sich an die neuen Anforderungen anzupassen, lässt sich nicht beschleunigen. Im Gegenteil führt zu forciertes Training zu frühzeitigem Verschleiss und Verletzungen durch Überbelastung.
Beim Abtrainieren wird eben dieser Prozess durch entsprechendes Training langsam zurück gefahren, damit sich der Bewegungsapparat an die geringere Leistung anpassen kann.
Eine abrupte Trainingsverminderung würde zu einem Ungleichgewicht mit erheblichen gesundheitlichen Störungen führen. So kann das bei menschlichen Hochleistungssportlern bekannte „akute Entlastungssyndrom“ auch bei Sportpferden ausgelöst werden. Dies zeigt sich unter anderem nach wenigen Tagen bis Wochen durch Schwitzen ohne ersichtlichen Grund, innere Unruhe, verändertem Fressverhalten und Verdauungsbeschwerden. Aber auch auf die Psyche des Pferdes hat das „akute Entlastungssyndrom“ seine Auswirkungen, die sich in Lustlosigkeit bis hin zu Depressionen äussern können.
Für das Abtrainieren muss also mit mindestens einem halben Jahr gerechnet werden.

Die Umstellungsphase strukturieren

Die Umstellungsphase knüpft an die Leistung im Renntraining an und muss daher individuell geplant werden. Folgende Aspekte werden dabei schrittweise reduziert:
  • Die Häufigkeit des Trainings 
  • Die Intensität des Trainings
  • Die Dauer der Trainingseinheit 
  • Trainingsinhalte 
  • Steigerung der Weidezeit
Baut der Reiter das Geländetraining bereits zu Beginn der Ausbildung mit ins Programm ein, kann er an den Leistungen im Rennstall anknüpfen und diese Schrittweise verringern. Man sollte mit einem voll im Training stehenden Vollblüter die ersten beiden Monate mindestens 3 bis 4 Mal wöchentlich im Gelände im leichten Sitz lange und lockere Trab- oder Galoppsequenzen einbauen. Nach und nach verringert man nun sowohl die Intensität der Sequenzen wie auch die Dauer, bis man zuletzt bei viel Schritt mit wenigen Sequenzen Trab und Galopp angelangt ist.
Zugleich kann der Reiter nun beginnen, die für die Umschulung erforderlichen Ausbildungsschritte an zwei Tagen zu trainieren. Nach und nach werden hierbei die Anforderungen erhöht. Dies hat zum einen den Vorteil, dass der Vollblüter schrittweise an die neuen Aufgaben herangehen kann in Verbindung zu Altbekanntem. Ausserdem fordern die neuen Lektionen dem Vollblüter viel Kopfarbeit ab, was vor allem an Anfang anstrengend ist. Die Konzentrationsspanne reicht erfahrungsgemäss für etwa 20 Minuten, mit Pausen etwas länger. Der körperlichen Auslastung kann so nur bedingt Rechnung getragen werden, weshalb erst eine Kombination aus beidem für ein rundum ausgeglichenes Pferd sorgt. Im Verlauf des Abtrainierens können die Tage, an denen die Ausbildung stattfindet zulasten der Tage des Ausdauer-Abbautrainings erhöht werden.
Wichtig ist auch, in dieser Phase die Fütterung den Anforderungen anzupassen. Der Reiter sollte sich vorgängig beim Trainer über die aktuelle Futtermenge informieren und vor allem das Kraftfutter schrittweise reduzieren. Nicht reduziert werden sollte die Raufuttermenge, die am Besten à discretion angeboten wird (mehr dazu im Beitrag „Fütterung“).

Kommt der Vollblüter neu in den Reitstall, kann man ihm aber gut einige Tage Eingewöhnung mit Umgebungserkundung gönnen, ohne gleich Gefahr zu laufen, dass ein Leistungsabfall eintritt. Ausserdem sollten auch während der Phase des Abtrainierens mindesten 1 bis 2 arbeitsfreie Weidetage eingebaut werden.
Im Anschluss an die Phase des Abtrainierens kann man dem Vollblüter auch eine länger dauernde Weidepause gönnen. Vorausgesetzt, das Pferd kann täglich in der Herde auf die Weide. Für die vollständige Regeneration werden 6 bis 8 Wochen empfohlen. Gerade in Anbetracht dessen, dass der ehemalige Galopper noch lange ein gesundes Reitpferd bleiben soll, bringt eine längere Pause nur Vorteile. Danach kann mit einem vollständig regenerierten und motivierten Vollblüter in die weiterführende Ausbildung gestartet werden.

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