Donnerstag, 25. Juni 2015

Warum (k)ein ehemaliges Rennpferd?

Zur zeit stehen in der Schweiz, Deutschland und Österreich hunderte aktive Rennpferde im Training. Im Durchschnitt beenden Rennpferde ihre Rennkarriere mit ca. 6 Jahren, Ausnahmen ausgenommen. Zu einem Zeitpunkt, in denen Reitpferde gerade mal die ersten Turniere starten, haben Vollblüter bereits eine Spitzensport-Laufbahn hinter sich. Die Erfolgreichen unter ihnen wechseln in die Zucht, doch das ist bei weitem nicht die Mehrheit.
In England, dem Mutterland der Pferderennen, gibt es schon seit geraumer Zeit Ausbildungsställe für ausgemusterte Rennpferde, sogenannte „Retraining Centers“, in denen sie auf ihr Leben nach der Sportkarriere vorbereitet werden. Eine offizielle Wohltätigkeitsorganisation, die sich für die Finanzierung der Umschulung, Kurse für interessierte Reiter und für die Vermarktung in den Reitsport einsetzt, ergänzt die Bemühungen für eine zweite Karriere.
In den hiesigen Breitengraden besteht bei diesem Thema definitiv noch Nachholbedarf. Viele Pferde wechseln also vom Renn- direkt in den Reitstall zu ihren neuen Besitzer. Einen Ausbilder zu finden, der diesen Transfer umzusetzen versteht, ist nicht immer leicht zu finden. Nach wie vor haften den Vollblütern Vorurteile an, die zum Glück von immer mehr Ex-Galopper-Besitzer wiederlegt werden.
Nicht nur wegen mangelnder Leistung, auch Verletzungsbedingt scheiden viele Rennpferde aus dem Sport aus. Das schreckt viele davon ab, einem Vollblüter eine zweite Chance zu geben. Dabei sind Vollblüter, die für den Hochleistungssport Pferderennen nicht mehr eingesetzt werden können, noch lange nicht unbrauchbar als Freizeitpferde. Aus dem verletzungsbedingt ehemaligen Spitzensportler kann ein langjährig gesunder und vielseitiger Freizeit-Partner werden.

Für wen eignen sich diese Pferde?

Zugegeben, Vollblüter sind nicht für Jedermann resp. –frau geeignet. Einen Galopper von der Rennbahn zu kaufen und auszubilden setzt schon ein gewisses Maß an Faszination und Leidenschaft für das Reiten an sich und die Rasse Vollblut insbesondere voraus. Ex-Galopper sind keine Billig-Pferde, auf denen man einfach losreiten kann.
Umschulung und allfällige Gesundheitskosten, die auf einem zukommen, übersteigen den oft günstigen Anschaffungspreis bei weitem. Ganz abgesehen von den vielen „guten Ideen“, die Vollblüter gerne von sich aus einbringen und einem manchmal die Nerven rauben können.
Den Umgang und das Reiten eines Ex-Galoppers muss einem also liegen, sie sind weder für besonders aufbrausende noch übermäßig ängstliche Reiter geeignet. Mit Ruhe, Besonnenheit und Einfühlungsvermögen erreicht man gemeinsam Ziele.
Wer ein Rennpferd erfolgreich umschulen will, muss bereit sein, dies mit Köpfchen und Hartnäckigkeit statt mit Druck und Zwang anzugehen. Dass eigene Verhalten und die eigenen Fähigkeiten kritisch hinterfragen zu können und die Bereitschaft, unter Umständen neue Wege in der Ausbildung zu gehen, ist wichtig, denn Vollblüter lassen sich nicht in Schablonen quetschen. Sie sind grundehrlich und direkt. Wenn ihnen etwas nicht behagt, können sie dies notfalls auch energischer zum Ausdruck bringen. Ein emphatischer Reiter weiss mit der offensiven Kommunikation und der Sensibilität eines ehemaligen Rennpferdes umzugehen und schätzt diese. Dass ermöglicht ein feine und leichte Kommunikation, womit die Arbeit beiden gleichermaßen Spaß macht.
Vollblüter sind intelligente und leistungsbereite Pferde, die durch einen abwechslungsreichen Trainingsplan ausgelastet werden. Wer Freude daran hat, neues auszuprobieren und ist an verschiedenen Sparten des Pferdesportes interessiert ist, der setzt mit den vielseitig talentierten Vollblütern auf das richtige Pferd. Sie sind Teamplayer, die gerne bei der Arbeit mitdenken. Ihr Temperament lässt sie manchmal auch etwas über das Ziel hinausschießen. Der Reiter sollte dafür ein gutes Reaktionsvermögen an den Tag legen und darf ruhig auch etwas „zackig“ sein. Eine gute Prise Humor entschärft zudem so manche Situation.
Und zu guter Letzt kann es nicht schaden, wenn der Reiter auch den Mut für Geschwindigkeit hat. Denn auch nach Jahren als Reitpferde brauchen Vollblüter ab und an einen rasanten Galopp über die Felder für ihr Wohlbefinden.
Belohnt wird man für seine Mühen mit einer ganz besonderen Beziehung zu seinem Vollblüter. Ein Pferd, dass mit einem buchstäblich durch Dick und Dünn geht, wenn das Vertrauen erst mal da ist. Vollblüter sind ehrgeizig und hartnäckig und bereit, mit voller Leistung für seinen Reiter zu kämpfen.
Dieser Blog hat deshalb nicht nur das Ziel, Rennpferdebesitzer bei ihrer Umschulung zu unterstützen und Ideen und Möglichkeiten für die Ausbildung zu liefern, sondern soll auch dazu beitragen, den Ruf dieser tollen Pferden zu verbessern und wenn möglich den einen oder anderen Interessierten dazu zu bewegen, einem Ex-Galopper eine Chance auf eine zweite Karriere zu ermöglichen.

2 Kommentare:

  1. Gibt es ein paar Adressen von diesen "Retraining Centers"?

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  2. Hi, ja gibt diverse in England, z.B.:
    http://www.thoroughbredrehabilitationcentre.co.uk
    http://www.ror.org.uk
    http://www.godolphinrehoming.co.uk
    Ich kennen aber keine von den angegebenen Organisationen persönlich, kann also nichts weiteres dazu berichten.
    Grüsse Vollblut Ausbildung

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