Der Reiter hat mehrere Kommunikationsmittel zur Verfügung. Materielle Hilfsmittel wie Halfter, Führstrick, Gerte, Zügel, Gebiss etc., auch Stangen und Pylonen gehören dazu, die Körpersprache und Stimmhilfen. Materielle Hilfsmittel und Körper- resp. Stimmhilfen sind untrennbar miteinander verknüpft und sollten die gleiche Sprache sprechen. Erwartet man ein entspanntes Stehenbleiben am Putzplatz während man hektisch um den Vollblüter herum wuselt, kann dies für das Pferd verwirrend sein. Bei fortschreitender Ausbildung treten die materiellen Hilfsmittel in den Hintergrund, es wird vermehrt mit Stimmhilfen und Körpersprache kommuniziert.
Impulse für feines Reiten und Handling
Die in der gängigen Reitlehre permanente Hilfengebung eignet sich für Vollblüter nur bedingt. Wie im Beitrag über den Lernprozess des Pferdes beschrieben, sind Vollblüter intelligente und leistungsmotivierte Pferde. Ausserdem vertragen Vollblüter aufgrund ihrer Sensibilität nur wenig Druck. Seine Reaktionsstärke prädestiniert den Vollblüter aber gerade zur Ausbildung in der sogenannten Signalreitweise. Bei der ursprünglich aus der Arbeitsreiterei stammenden Philosophie beschränkt sich die Hilfengebung auf einzelne „Anweisungen“, denen das Pferd so lange folgt, bis eine neue „Anweisung“ erfolgt. Das Signal ist eine kurze Hilfe, die beim Pferd eine unmittelbare Reaktion auslösen soll und die umgehend einzustellen ist, noch bevor, spätestens aber wenn die gewünschte Reaktion des Pferdes erfolgt. So gibt der Reiter zum Beispiel beim Antraben nur einmal einen feinen Impuls, indem er den Schenkel kurz anspannt und sofort wieder entspannt und sich bei entsprechender Reaktion des Pferdes wieder passiv im Sattel verhält. Erfolgt keine Reaktion des Pferdes, wird der Impuls nochmals gegeben, diesmal aber verstärkt mit einem zusätzlichen, kurzen Touchieren der Gerte in Schenkellage. Beim nächsten Antraben wird zuerst wieder die kleinstmögliche Hilfe verwendet. Erfolgt in der Anfangsphase auf ein Signal eine zu heftige Reaktion des Vollblüters, wird die Übung kurz unterbrochen, bis wieder Ruhe einkehrt. Danach wird die Hilfe nochmals gegeben, diesmal aber mit deutlich geringerer Intensität. Der Vollblüter soll bei der Impulsreiterei nur während der kurzen und eindeutigen Hilfengebung des Reiters unter Anspannung stehen und sich grundsätzlich locker und durchlässig bewegen. Deshalb ist es wichtig, dass der Vollblüter von Beginn an lernt, gelassen die Hilfe entgegen zu nehmen. Mit fortschreitender Ausbildung kann eine zu heftige Reaktion des Vollblüters auf das Signal „überritten“ werden.
Der Reitersitz muss bei der Signalreitweise so ausgerichtet sein, dass die Hilfen nicht überfallmässig erfolgen, d.h. auch während der passiven Phase wird ein leichter Kontakt am Zügel und Schenkel aufrechterhalten. Der Reiter muss dafür seinen Sitz soweit unter Kontrolle halten, dass er während der passiven Phase nur locker mit der Bewegung des Pferdes mitschwingt, ohne dabei ungewollte Signale ans Pferd weiter zu geben. Dies erfordert einen unabhängigen Reitersitz. Das gleiche Prinzip der Impuls-Hilfen wird auch bei der Arbeit am Boden angewendet, wobei auch hier die Körpersprache eine entscheidende Rolle spielt.
Vorsicht ist bei der Signalreitweise vor Routinehandlungen geboten. Wird immer an der gleichen Stelle eine Lektion eingeleitet, kann es passieren, dass der Vollblüter diese vorwegnimmt und ohne auf das Signal zu warten und z.B. bereits antrabt. Auch bei der Signalreitweise muss das Pferd an den Hilfen stehen. Dies erfordert vom Reiter eine klare Linie und ein abwechslungsreiches Trainingsprogramm.
Bei der Signalreitweise ist es erforderlich, dass der Vollblüter bei der Arbeit mitdenkt und verschiedene Lektionen vom Boden oder im Sattel erlernen und selbstständig umsetzen können muss. Dies fordert dem Vollblüter auch Mental einiges ab, was generell zu seiner Auslastung beiträgt.
Eine klare Linie
Je präziser der Reiter seine Hilfen anwendet, desto weniger Missverständnisse entstehen. Sich klar auszudrücken bedeutet, ausschliesslich im Bereich schwarz oder weiss, richtig oder fehlerhaft, zu bewegen. Mit schwammigen Hilfen kann der Vollblüter nichts anfangen. Das bedeutet, dass der Reiter stets das Gleiche fordern sollte, um seinem Vollblüter Sicherheit in seinem Handeln zu geben. Ein „Steh“ bedeutet immer ein unmittelbares, geradegerichtetes Anhalten, nicht heute 5 Schritte nach dem Kommando, morgen ein sofortiges Anhalten. Weiter soll der Reiter für die gleiche Lektion auch stets die gleichen Hilfen, sowohl mit Material wie auch mit dem Körper und Stimme, geben. Sagt man heute „Steh“ und morgen „Halt“, einmal in dem man sich vor das Pferd stellt, beim zweiten mal daneben und am Strick ruckend, nimmt man dem Pferd die Gelegenheit, richtig zu reagieren. Ausserdem sollen die Hilfen stets getrennt voneinander gegeben werden. Pferde können nur einen Input aufs mal aufnehmen und umsetzen. Durchparieren bei gleichzeitigem treiben macht für das Pferd wenig Sinn und stellt es vor die Entscheidung, welcher Hilfe es zuerst folgen soll. Die einzelnen Hilfen sollen also klar nacheinander erfolgen, bei fortschreitender Ausbildung werden die Abstände jedoch kürzer.
Bevor man eine neue Lektion einübt, überleg man sich, wie die Hilfen dafür aussehen sollen und behält diese konsequent bei. Ebenso wichtig ist es, dass der Reiter sich seiner Handlung sicher ist. Es gilt der Grundsatz, lieber das Falsche mit Überzeugung fordern als das Richtige mit Unsicherheit. Nachträgliches objektives Reflektieren der eigenen Handlung vermeidet weitere Fehler, ohne dass die eigene Führposition in Frage gestellt und der Vollblüter verunsichert wird.
Übersicht Hilfengebung
Um das Prinzip der klaren Impuls-Hilfengebung zu verdeutlichen, ist hier der Ablauf der Hilfengebung in einzelne Schritte aufgeteilt und soll dem Reiter als Orientierung der eigenen Handlung dienen.
Vorbereitung: Inneres Bild der korrekten Ausführung der Lektion und die dafür benötigten Hilfen.
Signal
- Körpersprache: Körperspannung, Aufrichtung, Schulter- und Hüftposition (Bremsen oder Treibend oder Rückwärtsrichtend) beachten.
- Technik: Auf eine saubere Ausführung achten. Nur ein Signal aufs Mal und für den Vollblüter verständlich und eindeutig.
- Loslassen: Ausatmen, locker und entspannt mit der Bewegung während der Übung mitgehen.
- Überprüfen: Stimmt die Ausführung mit dem inneren Bild überein?
- Sofortiges Lob oder Wiederholung mit Steigerung der Intensität oder Änderung der Strategie resp. der Anforderung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen