Donnerstag, 14. Mai 2015

Vom Fohlen zum Rennpferd – ein Einblick


Pferderennen finden auf der ganzen Welt statt und sind grösstenteils durch einheitliche Richtlinien geregelt. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass auch das Training der Pferde in weiten Teilen ähnlich ist. Natürlich bestehen Unterschiede bezüglich bevorzugten Trainingsmethoden, Umgang mit den Pferden oder vorhandene Infrastruktur. Zudem erfreuen sich die Rennarten, ob Flach-, Hindernis- oder Trabrennen, nicht in allen Ländern der gleichen Beliebtheit. Das Training verfolgt jedoch überall das Ziel, das Pferd von klein auf optimal für die Rennen vorzubereiten, um dadurch im besten Fall einen Sieger hervorzubringen. Im Rennpferde-Training werden deshalb einige Prioritäten anders gesetzt, die für ein Reitpferd unverzichtbar wären. Der Ausbilder, der ein Vollblut frisch von der Rennbahn in seine Obhut nimmt, hat die Aufgabe, ebendiese „Defizite“ beim Pferd auszugleichen und die weiteren Ausbildungsschritte darauf aufzubauen. Dieser Beitrag soll einen Einblick in den möglichen Alltag eines Rennpferdes bieten, um gewisse Verhaltensweisen des späteren Freizeitpferdes besser verstehen und die Ausbildungsschritte entsprechend anpassen zu können.
Der Ernst des Lebens beginnt für ein zukünftiges Rennpferd mit ca. fünf Monaten, da nämlich wird es von der Mutterstute abgesetzt und auf die folgende Jährlingsauktion vorbereitet. Ist das Fohlen abgesetzt, wird es bis zum definitiven Eintritt ins Training mit Artgenossen auf der Fohlenweide gehalten. Das Fohlen-ABC wurde bereits eingeübt, nun gilt es, die Führigkeit, auf längeren Strecken geradeaus, und das korrekte Präsentieren aufzubauen. Eine Auktion bedeutet für den Jährling (als Jährlinge werden alle Fohlen eines Jahrgangs bezeichnet, unabhängig vom eigentlichen Geburtsdatum), dass er in einer neuen, belebten Umgebung mehrmals täglich aus der Box im Schritt interessierten Käufern präsentiert wird und zu guter Letzt auch im Ring seine Qualitäten beweisen soll. Die Vorbereitung zielt darauf ab, die physische und psychische Belastbarkeit zu fördern. Deshalb wird spätestens 8 Wochen vor der Auktion begonnen, die Fitness des Jährlings zu trainieren. Dies kann sowohl im Schritt an der Hand, in der Führmaschine, auf dem Laufband und an der Longe geschehen. Um eine übermässige Abnutzung der Hufe zu verhindern, werden künftige Rennpferde teilweise schon für die Auktion vorne kalt beschlagen, spätestens jedoch wenn sie in den Rennstall kommen. Hat der Jährling einen neuen Besitzer, wechselt er, je nach Entwicklungsstand, für das Anreiten und das Aufbautraining in den Rennstall oder wird nochmals auf die Fohlenweide gestellt.

Die ersten Rennen in der Karriere sind für zweijährige Pferde veranschlagt, die Vorbereitung dauert zwischen 4 bis 6 Monaten. Der Jährling im Rennstall hat erst einmal ein paar Tage Zeit, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Geputzt und fürs Training bereit gemacht werden die Pferde ausschliesslich in ihrer Box, dort sind die Pferde deshalb auch am ruhigsten. So wird der Jährling auch in der Box an Trense und Sattel gewöhnt und kommt damit zuerst an die Longe im Schritt und Trab. Das erste Mal aufgesessen wird meistens ebenfalls in der Box, das Einreiten wird von leichten Rennreitern übernommen, wofür etwa drei Wochen veranschlagt wird. Nach der Gewöhnung an das Reitergewicht geht es mit einem erfahrenen Führpferd in den Trabring. Danach wird auf die Bahn für die erste Galopparbeit gewechselt. Dies geschieht stets in Begleitung erfahrener Rennpferde, was den Vorteil hat, dem jungen Rennpferd die Lernvorgänge zu erleichtern und Sicherheit zu vermitteln. Bei der Galopparbeit lernt das Jungpferd erst einmal, sich mit dem Reitergewicht auszubalancieren und wird im Anschluss für das erste Rennen vorbereitet.

Das Training besteht hauptsächlich aus Konditions- und Konstitutionsaufbau- Schnelligkeit kann man nicht antrainieren. Das tägliche Training im Lot (Gruppe) startet mit dem Aufwärmen im Schritt im Schrittring, teilweise werden die Pferde auch vorgängig in der Führmaschine aufgewärmt. Zum Reiten werden die Rennreiter auf das im Schritt geführte Pferd hochgeworfen. Die Pferde, die bereits einen Reiter tragen, kreisen im Schritt bis alle aufgesessen sind. Generell werden Rennpferde beim Reiten immer in Bewegung gehalten, erst recht, wenn sie sich aufregen, bocken oder steigen. Ruhiges Stehenbleiben kennen die wenigsten. Nach dem Aufwärmen im Schritt geht es in den Trabring, dort wird zwischen 10 bis 30 Minuten getrabt. Für das eigentliche Galopptraining wird, je nach Anweisung des Trainers, langsam oder schnell über eine Distanz von durchschnittlich 1800 Metern auf der Trainingsbahn gecantert. Im Training werden die Pferde selten bis an ihre Leistungsgrenze gebracht, zur Standortbestimmung dienen „Spritzer“, also schnelles Laufen über eine kurze Distanz, ein Grasgalopp, das tägliche Training findet auf der Sandbahn statt, oder ein Kopf an Kopf mit einem anderen Pferd. Letzteres dient auch zur Förderung des Ehrgeizes des Rennpferdes. Pferderennen werden aber nicht nur mit Geschwindigkeit, sondern auch mit der richtigen Renntaktik gewonnen, weshalb mit dem Pferd zudem das Galoppieren an verschiedenen Positionen im Feld geübt wird.
Der Sitz des Rennreiters lässt eine Hilfengebung, wie sie im Reitsport bekannt ist, nur bedingt zu. Deshalb werden Kommandos zum Beschleunigen oder verlangsamen mit der Stimme, mit Zügel und Gerte gegeben. Je kürzer der Zügel geführt wird, je höher wird das Tempo. Das Wedeln der Gerte, ob auf Kopfhöhe oder im Bereich der Hinterhand, dient ebenfalls dazu dem Rennpferd ein höheres Tempo abzuverlangen. Das „Wedeln“ kommt daher, dass in den Rennen maximal drei Gertenschläge erlaubt sind. Zum durchparieren werden häufig längere Töne gepfiffen. Nach dem Training werden die Pferde trockengeritten oder geführt, bis der Puls und die Atemfrequenz wieder im Ruhebereich sind. Geführt werden die Pferde stets in dem Schritttempo, das sie vorgeben, ein Führtraining wie es zum Beispiel für die Bodenarbeit verlangt wird, ist selten. In einigen Rennställen gehen die Pferde auch gruppenweise ins Gelände.


Ist das Rennpferd bereit für das erste Rennen, sucht der Trainer anhand der Veranlagung des Rennpferdes das passende Rennen aus. Er orientiert sich dabei an Trainingsergebnissen wie zum Beispiel, ob ein Rennpferd eher für längere Distanzen geeignet ist, ein sogenannter Steher, oder ob er schnell auf kurzer Strecke, also ein Flieger ist. Ausserdem spielen Geläuf, tief oder fest, die Bahnbeschaffenheit und einige Faktoren mehr eine Rolle. Auch die Wahl des Jockeys obliegt dem Trainer. Am Renntag werden die Pferde in Lastwagen verladen und an die Rennen gefahren. Rennpferde sind sich Reisen gewohnt, in den höheren Klassen auch per Flugzeug. Auf dem Rennplatz steht den Pferden Gastboxen zur Verfügung. Vor dem Rennen werden die Rennpferde etwa 40 Minuten im Schritt warmgeführt und kommen dann für die Zuschauer in den Führring. Für den Trainer, den Besitzer und den Jockey ist dies die Gelegenheit, nochmals die Renntaktik zu besprechen. Es folgt das Aufsitzen der Jockeys bevor es gemeinsam zur Rennbahn für den Aufgalopp geht. Hier überprüfen Rennbahntierarzt und Rennleitung, ob die Rennpferde sauber galoppieren. Für den Start kommen die Pferde in sogenannte Startboxen. Für diese haben die Rennpferde vorgängig eine Startboxenprüfung abgelegt. Nach dem Rennen wird der Sieger dem
Publikum präsentiert und der Preis an Besitzer, Trainer und Reiter übergeben. Zum ausschritten werden die Pferde wiederum geführt, bis Puls und Atemfrequenz im Normalbereich liegen. Ausgewählten Pferden wird zudem eine Dopingprobe abgenommen, zum Beispiel den Pferden, die sich in einem Rennen auffällig verhalten haben. Zurück im Rennstall haben die Pferde einige Tage Zeit, um sich vom Rennen zu erholen und werden nur leicht bewegt, bevor sie das reguläre Training wieder aufnehmen. In einigen Rennställen dürfen Rennpferde zu diesem Zweck auch auf die Weide.
Ein aktives Rennpferd läuft durchschnittlich ein Rennen pro Monat, Gruppe-Pferde eher weniger. Im Winter haben die Pferde Trainingspause und werden in der Halle bewegt, teilweise auch eingesprungen und kommen in die Führmaschine. Einige Trainer, vor allem die kleineren, legen zudem Wert darauf, ihren Pferden auch eine dressurmässige Ausbildung zukommen zu lassen.

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